Impfungen in Flüchtlingsunterkünften: Aktueller Stand, Forderungen und Hinweise

Gesammelte Informationen vom Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt

Nach der Corona-Impfverordnung gehören Personen, die in Gemeinschaftsunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht oder tätig sind, zur Priorisierungsgruppe 2.

Theoretisch können sie seit Ende Februar gegen das Coronavirus geimpft werden.

Aufgrund der beengten Wohnsituation sind sie einem erhöhten Risiko ausgesetzt an Covid-19 zu erkranken oder sogar zu sterben, wie Ergebnisse des Kompetenznetz Public Health COVID‐19 in drastischer Weise zeigen. Die besonders prekäre Situation dieser Personengruppe besteht darin, dass sie keine Entscheidungsfreiheit über ihren Wohnort haben . Sie sind gezwungen mit vielen anderen Menschen auf engem Raum zusammen zu leben, meist ohne jegliche Ausweichmöglichkeiten.

Landesweit werden große Anstrengungen unternommen, um möglichst vielen Menschen ein Impfangebot zu machen. Eine Abfrage des Flüchtlingsrates beim Land und unter den Landkreisen und kreisfreien Städten zeigt, dass die wenigsten mit den Impfungen der Bewohner*innen in Gemeinschaftsunterkünften begonnen haben.

Aufnahmeeinrichtungen des Landes

Update vom 09.06.21

Seit dem 25.05.21 wurde mit den Erstimpfungen in der ZASt in Halberstadt mit dem Impfstoff von Moderna begonnen.

Dazu heißt es aus dem Innenministerium: „Im Vorfeld wurden die Bewohner der ZASt (Haupt- und Nebenstellen sowie Außenstellen) durch die Mitarbeitenden im Bereich soziale Betreuung und Sprachmittlung sowie dem Personal des MediCare umfassend mit Hilfe des auch fremdsprachig zur Verfügung gestellten Aufklärungsmaterials des RKI informiert. Bewohner, die den Bedarf nach einer zusätzlichen ärztlichen Beratung äußerten, erhielten die Möglichkeit sich ausführlich mit den vor Ort tätigen Ärzten zu besprechen. Rund 55 % der impffähigen Bewohner der ZASt (über 18 Jahre alt, ohne Genesene) haben bei dieser ersten Impfaktion die Erstimpfung erhalten. Dies entspricht 210 Bewohnern. Die Impfungen liefen sehr ruhig und geordnet ab. Es sind keine nennenswerten Impfreaktionen bekannt geworden.“

Die Zweitimpfungen werden aller Voraussicht nach in sechs Wochen stattfinden.

Die Impfkampagne in der ZASt wird fortgesetzt und es werden wöchentlich Impftermine für Neuzugänge und „Nachzügler“ angeboten.

Die Impfungen in der Landesaufnahmeeinrichtung Magdeburg haben am 1. Juni begonnen.

Den Bewohner*innen der Landesaufnahmeeinrichtung Bernburg wird im Rahmen der Impfungen in der ZASt in Halberstadt ein Impfangebot unterbreitet (Transport wird sichergestellt). Gleiches gilt für das Personal in Bernburg.

Seit 01. Juni gibt es in der ZASt ein Corona-Testzentrum.

 

Kommunale Gemeinschaftsunterkünfte (GU) der Landkreise und kreisfreien Städte

Nicht alle angefragten Landkreise/kreisfreien Städte antworteten. Nachfolgende Antworten liegen uns vor (Stand: 19.04.21)

Anhalt-Bitterfeld:

  • der Landkreis verfügt über keine Gemeinschaftsunterkünfte

Börde (Stand: 09.04.):

  • Impfaufklärung von Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen hat bereits mehrsprachig stattgefunden
  • mobile Impfteams haben bereits alle Impfwilligen an den Standorten geimpft
  • Aufklärung, Beratung und Koordination erfolgte mehrsprachig und teils schriftlich durch Sozialarbeiter*innen

Magdeburg (Stand: 12.04.):

  • das Personal ist teilweise geimpft
  • geplant ist der Einsatz eines mobilen Teams.

Dessau-Roßlau:

  • verfügt über keine Gemeinschaftsunterkünfte

Stendal (Stand: 12.04.):

  • Noch keine Impfungen in Priogruppe.
  • Ob Impfung durch den Einsatz von Impfteams, im Impfzentrum in Stendal oder durch den Hausarzt vorgenommen stattfinden soll, ist noch nicht klar.
  • Die Bewohner*innen der GU werden durch Sozialarbeiter*innen informiert. Es werden ein Impfaufklärungsvideo und Informationsunterlagen des Bundesgesundheitsministeriums in mehreren Sprachen genutzt.
  • Unterstützung erfolgt nach Bedarf durch die Sozialarbeiter*innen der GU.

Altmarkkreis Salzwedel (Stand: 13.04.):

  • Noch keine Impfungen in Priogruppe 2
  • Kein Einsatz von mobile Impfteams geplant (außer für eingeschränkte mobile Personen in GUs)
  • Mitarbeiter*innen sollen zuerst geimpft werden
  • Impfung von Bewohner*innen an einem zentralen Impftermin im Stadtzentrum
  • Impfterminvergabe erfolgt zentral über das Portal der kassenärztlichen Vereinigung
  • Informationen nur in deutscher Sprache mit Verweis auf Website des RKI für mehrsprachige Infos
  • keine weiteren Unterstützungsleistungen möglich, Beratung soll erst beim gesammelten Impftermin geleistet werden („Informationen gebündelt“)

Wittenberg (Stand. 14.04.):

  • Impfungen werden seit April organisiert
  • Beschäftigte werden derzeit im Impfzentrum, Bewohner*innen voraussichtlich ab Mai durch mobiles Impfteam in den GUs vor Ort geimpft.
  • Informationsvergabe durch Sozialarbeiter*innen, Vereine und Initiativen unterstützen bei Impftermin-Buchungen
  • Nutzung eines Online-Videodolmetscherdienst (auch Gebärdensprache)
  • Fahrtkosten zum Impfzentrum werden nicht übernommen

Fazit und Forderungen

Der beste Schutz vor einer Infektion ist und bleibt die dezentrale Unterbringung.

Solange das Land, die Landkreise und kreisfreien Städte die Menschen in Großunterkünften – in denen Abstand halten unmöglich ist – unterbringen, müssen sie auch dafür Sorge tragen, dass sie schnellstmöglich den ihnen zustehenden Zugang zum Impfstoff erhalten.

Es muss auch sichergestellt sein, dass sich die Menschen angemessen schützen können, zum Beispiel durch die regelmäßige und kostenfreie Ausgabe von FFP2-Masken. Eine unterschiedliche Behandlung gegenüber anderen Personengruppen der Priogruppe 2 ist rechtswidrig, unverantwortlich und menschenverachtend.

Aufklärung

Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass die Verunsicherung unter geflüchteten Menschen groß ist und das zu weniger Impfbereitschaft führen kann. Um der Unsicherheit, die auf der undurchsichtigen Informationslage beruht, entgegenzuwirken, ist es notwendig, dass den betroffenen geflüchteten Menschen niedrigschwellige, mehrsprachige Informationen (auch zu den Nebenwirkungen) der Impfstoffe vermittelt werden. Ferner müssen Stellen, an die sie sich mit Fragen richten können, kommuniziert werden. Die  Informationen des Robert-Koch-Instituts, auf die vielfach verwiesen wird, sind relativ hochschwellig und möglicherweise für viele schwer verständlich.

Die zuständigen Stellen müssen dafür Sorge tragen, dass für Geflüchtete einfach verständliche, mehrsprachige Informationen zur Verfügung stehen, die den Menschen auf vielfältige Weise nahegebracht werden, u.a. mit Hilfe von Sprachmittlung und Vertrauenspersonen. Nur so kann Vertrauen in die Impfungen hergestellt und die Impfbereitschaft erhöht werden. Die Informationsvermittlung darf keinesfalls allein bei den Sozialarbeiter*innen in den Unterkünften liegen.

Mehrsprachige Informationen haben wir auf unserer Webseite zusammengestellt.

Passend zu dem Thema sendete das ARD Mittagsmagazin am 22.04. einen Bericht: Geflüchtete bei Impfungen benachteiligt (Zum Stand der Impfungen und zur besonderen Infektionsgefahr in großen Unterkünften für Geflüchtete bundesweit).



diesen Beitrag teilen