[Pressemitteilung] Weder Bett, Brot, Seife noch Privatsphäre
Pressemitteilung, 24.06.2025
Weder Bett, Brot, Seife noch Privatsphäre
Flüchtlingsrat kritisiert rechtswidrige und unmenschliche Praxis des Sozialamtes in Dessau
Flüchtlingsrat und Unterstützende vor Ort sind alarmiert über das Vorgehen des Sozialamtes in Dessau: Familien und alleinerziehende Frau mit kleinen Kindern bekommen keine Leistungen mehr und sollen aus Unterkunft raus, gleichzeitig betreten Mitarbeitende des Sozialamtes ohne Ankündigung und Erlaubnis die Zimmer von zum Teil schwerst traumatisierten Personen.
Wie bereits in unserer Pressemitteilung vom 09.05.2025 berichtet, machen immer mehr Kommunen in Sachsen-Anhalt, insbesondere die Stadt Dessau, Gebrauch von der Gesetzesverschärfung und streichen Personen im Dublin-Verfahren komplett die Leistungen.
Die Situation hat sich seit dem noch verschärft. Uns erreichen weitere Berichte von betroffenen Familien aus Dessau. Kleine Kinder müssen ohne Essen zur Schule, Familien mit mehreren Kindern leben in einem Zimmer, zum Teil im Keller und berichten, dass es üblich ist, dass Mitarbeitende des Sozialamtes mit Schlüssel die Zimmer betreten ohne vorher überhaupt anzuklopfen. Dieses Betreten der Zimmer ist ein klarer Verstoß gegen das Grundrecht auf Unverletzlicheit der Wohnung §13 GG.
Gleichzeitig entscheiden bundesweit immer mehr Gerichte, dass diese komplette Leistungsstreichung rechtswidrig ist. Es gibt mittlerweile mindestens 44 Beschlüsse von Sozialgerichten, die die Streichung für unzulässig erklärt haben. Darunter ist auch eine positive obergerichtliche Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen.
„Die asylfeindliche Debatte und Politik schlägt sich in repressiver Willkür vor Ort nieder und macht auch nicht vor besonders schutzbedürftigen Personen wie alleinreisenden Frauen mit kleinen Kindern oder Kranken halt. Behörden scheinen sich in einem rechtsfreien Raum zu wähnen. Es kann nicht die Lösung sein, dass die Menschen sich mit langwierigen und aufwendigen Klageverfahren gegen diese Rechtsverstöße wehren müssen. Es braucht strukturelle Lösungen, mahnt Stefanie Mürbe, Sprecherin des Flüchtlingsrates Sachsen-Anhalt.
Diese Ansicht teilt Rechtsanwalt Sven Adam aus Göttingen, der regelmäßig Familien auch in Eilverfahren vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau vertritt. „Die Stadt Dessau-Roßlau kürzt insbesondere bei ihr zugewiesenen Familien sogar die Leistungen aufgrund von europa- und verfassungsrechtlich hochumstrittenen Rechtsgrundlagen, die auf die Familien aber nicht mal anwendbar sind. Von meinen Mandanten betrifft das akut eine Familie mit drei Kinder im Alter von 10, 8 und 3 Jahren.“ zeigt sich Adam verärgert über das Verhalten des Sozialamtes (Az.: S 17 AY 17/25 ER vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau).
„Wir fordern das Sozialamt Dessau auf, diese rechtswidrige Praxis sofort zu beenden. Wir appellieren erneut an die Landesregierung und die zuständigen Behörden, (so wie in Rheinland-Pfalz) auf komplette Leistungsstreichungen zu verzichten. Am Ende ist aber vor allem die Bundesregierung gefordert, diese europa- und verfassungsrechtswidrige Regelung zurück zu nehmen“, appelliert die Sprecherin des Flüchtlingsrates.
Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt steht für Rückfragen und Informationen gerne zur Verfügung: info@fluechtlingsrat-lsa.de | 0391 50549613