Grenzkontrollen und Zurückweisungen: Europäische Zivilgesellschaft fordert Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland
Wegen der stationären Grenzkontrollen und Zurückweisungen muss die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Das fordert PRO ASYL gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Organisationen aus Nachbarstaaten Deutschlands.
Die Zurückweisungen von Asylsuchenden an deutschen EU-Binnengrenzen verstoßen eindeutig gegen europäisches Recht. Zudem drohen Verstöße gegen das Völkerrecht, schreiben zivilgesellschaftliche Organisationen aus Deutschland, Österreich, Tschechien, Luxemburg, Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz sowie die europäische Dachorganisation European Council on Refugees and Exiles (ECRE) in dem heute veröffentlichten offenen Brief an die Europäische Kommission.
Stärke des Rechts über das Recht des Stärkeren stellen
„Wer solche nationalen Alleingänge zulässt, verletzt die Rechte von Schutzsuchenden und riskiert den Zusammenhalt der Europäischen Union. Die Europäische Union muss beweisen, dass sie die Stärke des Rechts über das Recht des Stärkeren stellt. Deshalb appellieren wir heute an die Kommission, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten“, so Karl Kopp, Geschäftsführer von PRO ASYL.
Die unterzeichnenden Organisationen appellieren an die Europäische Kommission, als „Hüterin der Verträge“ entschieden gegen die Missachtung europäischen Rechts vorzugehen und die Einhaltung gemeinsamer Regeln und Werte zu sichern. Nationale Alleingänge, die geltendes EU-Recht missachten, befeuern EU-Skepsis, stärken rechtsextreme Kräfte und tragen zu einer gefährlichen Renationalisierung innerhalb der Union bei.
„Die aktuellen Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den deutschen Grenzen sind ein Skandal. Sie sind nicht nur kurzsichtig und unmenschlich, sondern auch eindeutig rechtswidrig. Wie zuletzt das Verwaltungsgericht Berlin bestätigt hat, verstößt Deutschland damit gegen vorrangiges europäisches Recht. Trotzdem will die Bundesregierung daran festhalten. Das widerspricht fundamental der Idee des europäischen Rechtsstaates“, so Karl Kopp.
Zum 40-jährigen Bestehen des Schengener Abkommens am Samstag, 14. Juni, machen die unterzeichnenden Organisationen außerdem darauf aufmerksam, dass die Reisefreifreiheit innerhalb des Schengen-Raumes durch Grenzkontrollen ernsthaft bedroht wird.
PRO ASYL hat begleitend zu dem offenen Brief heute auch formal Beschwerde wegen der Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Binnengrenzen bei der Europäischen Kommission eingereicht.
Hintergrund
Der Offene Brief wurde neben PRO ASYL von Vertreterinnen und Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen aus sechs Nachbarstaaten Deutschlands sowie der europäischen Dachorganisation European Council on Refugees and Exiles (ECRE) gezeichnet. Sie alle setzen sich in ihrer Arbeit für die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in der Europäischen Union ein.
Was bereits zuvor offensichtlich war, hat das Verwaltungsgericht Berlin am 2. Juni 2025 erneut mit Blick auf die Zurückweisung von drei somalischen Asylsuchenden an der deutsch-polnischen Grenze, darunter eine minderjährige Jugendliche, bestätigt: Die Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen EU-Binnengrenzen ist rechtswidrig und verstößt gegen die Dublin-III-Verordnung. Dennoch hat die Bundesregierung angekündigt, an den Kontrollen und Zurückweisungen festhalten zu wollen. PRO ASYL hatte die Klagen der drei Schutzsuchenden über den PRO ASYL-Rechtshilfefonds unterstützt.