Abschiebungen nach Afghanistan ausgesetzt!

Der monate- und jahrelange Protest hat endlich Wirkung gezeigt: Die Bundesregierung hat heute die Abschiebungen nach Afghanistan ausgesetzt. Erst vorgestern hatten über 20 zivilgesellschaftliche Organisationen in einem gemeinsamen Appell von der Bundesregierung erneut einen vollständigen Abschiebestopp nach Afghanistan gefordert.

Der nun von der Bundesregierung verfügte Abschiebestopp erfolgt allerdings keineswegs freiwillig: Noch letzte Woche (3. August) sollte eine weitere Sammelabschiebung ab München via Wien nach Afghanistan starten. Der von Österreich geplante Flug ab Wien war in letzter Minute vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) per Einstweiliger Verfügung gestoppt worden. In einem Schreiben vom 5. August 2021 drängte die Bundesregierung gemeinsam mit anderen EU-Staaten die EU-Kommission, Druck auf die afghanische Regierung auszuüben, damit diese weiter Abschiebungen ermögliche.

Auch Sachsen-Anhalt hat sich immer wieder an den Sammelabschiebungen beteiligt.

In Afghanistan vergeht kaum ein Tag ohne Anschlag. Seit dem Abzug der NATO-Truppen sind die Taliban auf dem Vormarsch: Über die Hälfte der Bezirke in Afghanistan steht schon unter Kontrolle der Taliban. Amerikanische Geheimdienste rechnen mit dem Fall der Hauptstadt Kabuls in den kommenden drei bis sechs Monaten. Die dritte Welle der Covid-19-Pandemie verschärft die humanitäre Situation im Land zusätzlich. Die Lage am Hindukusch ist dramatisch und wird sich aller Voraussicht nach weiter verschlechtern.

Ein Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan war daher lange überfällig und (überlebens-)notwendig. Norwegen, Schweden und Finnland hatten die Abschiebungen bereits vor einigen Wochen gestoppt, auch die Niederlande haben heute heute einen Abschiebestopp erklärt.

Danke an alle Organisationen und Personen, die sich für den Abschiebestopp eingesetzt haben.

Zu der heutigen Entscheidung merkt Afghanistan-Experte Thomas Ruttig zurecht an, dass die Abschiebungen 2016 angesichts der Sicherheitslage in dem Land gar nicht wieder hätten aufgenommen werden dürfen.

ProAsyl weist darauf hin, dass nun weitere Maßnahmen notwendig sind, unter anderem eine Änderung der Entscheidungspraxis des BAMF:

Wir fordern weiterhin:

  • ein Bleiberecht für diejenigen afghanischen Geflüchteten, die bereits in Deutschland sind
  • die schnelle und unbürokratische Evakuierung aller gefährdeter Personen, insbesondere Ortskräfte und ihrer Familien
  • die unbürokratische und schnelle Ermöglichung des Familiennachzugs zu afghanischen Geflüchteten in Deutschland

Hintergrund


Keine Abschiebungen nach Afghanistan!, Gemeinsamer Aufruf vom 10. August 2021



diesen Beitrag teilen