[Pressemitteilung] Sachsen-Anhalt muss auf EuGH-Urteil zur Abschiebungshaft reagieren

Pressemitteilung, 16.03.2022

Sachsen-Anhalt muss auf EuGH-Urteil zur Abschiebungshaft reagieren

Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt begrüßt das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofs, in dem dieser erstmalig Leitplanken vorgegeben hat für die Unterbringung von Menschen, die abgeschoben werden sollen. Die Landesregierung muss nun aus Sicht des Flüchtlingsrats Konsequenzen ziehen.

Die Luxemburger Richter*innen sind erneut zu dem Ergebnis gelangt, dass Abschiebungshaftgefangene getrennt von Strafgefangenen in eigenen Einrichtungen unterzubringen sind. In dem aktuellen Urteil werden genauere Kriterien an diese speziellen Abschiebehafteinrichtungen ausgeführt, die bei der Inhaftierung von Menschen zum Zwecke der Abschiebung mindestens eingehalten werden müssen. So dürfen Abschiebehäftlinge nicht in Gefängnis-ähnlichen Einrichtungen untergebracht werden. Genau das tut aber das Land Sachsen-Anhalt und das sogar direkt in den regulären Justizvollzugsanstalten Burg, Halle (Saale) und Raßnitz.

2019 hatte die damalige Bundesregierung aus Union und SPD beschlossen, dass Abschiebungshaft auch in regulären Strafhaftanstalten vollzogen werden dürfe, wenn die Trennung von regulären Strafgefangenen umgesetzt wird. Schon 2014 entschied der EuGH, dass dies nicht zulässig ist. Die Bundesregierung rief dennoch pauschal einen „vorübergehenden Notstand“ aus, um sich nicht an diese Vorgabe halten zu müssen, und handelt dadurch wider dem sog. Trennungsgebot. Diese Praxis hat der EuGH nun scharf kritisiert. »Es ist ein Skandal und eines Rechtsstaats unwürdig, dass die damalige Bundesregierung wider besseren Wissen und gegen die massiven Bedenken, die von Menschenrechtsorganisationen und Jurist*innen ausführlich dargelegt wurden, diese gesetzliche Möglichkeit eröffnet hat.«, so Christine Bölian, Sprecherin des Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt. »Das Mindeste wäre gewesen, dass das Land Sachsen-Anhalt nicht von dieser rechtlichen Regelung Gebrauch macht. Niemand kann ernsthaft behaupten, dass sich die Bedingungen für die Inhaftierten wesentlich von denen in Strafhaft unterscheiden.«

Der Flüchtlingsrat fordert die Landesregierung deshalb auf, endlich die europarechtlichen Vorgaben umzusetzen und sich nicht hinter rechtswidrigen Bundesregelungen der Verantwortung zu entziehen. Bei über 50% rechtswidrigen Abschiebehaftanordnungen ohne Gewährleistung eines Pflichtverteidigers ist eines Rechtsstaates unwürdig. Darüber hinaus bedarf es einer klaren gesetzlichen Regelung des Abschiebehaftvollzugs, die aktuell nicht besteht.

Aus Sachsen-Anhalt wurden im vergangenen Jahr 176 Personen abgeschoben, 27 von ihnen aus Abschiebehaft heraus.

Pressekontakt:

Christine Bölian, tel. 0157850859494, mail: christine.boelian@fluechtlingsrat-lsa.de

Helen Deffner, tel. 015738303546, mail: helen.deffner@fluechtlingsrat-lsa.de



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