Selbstverständnis des Flüchtlingsrates

Bei der Mitgliederversammlung am 13.12.17 haben wir das Selbstverständnis des Flüchtlingsrates beschlossen.

Seit seiner Gründung 1994 hat der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt eine dynamische Entwicklung durchgemacht. Gründungsanlass waren die rassistischen Ausschreitungen in Magdeburgs Innenstadt am Himmelfahrtstag (sogenannte Himmelfahrtskrawalle). Es war zugleich eine Zeit massiver Asylrechtsverschärfungen und der Popularisierung rassistischer Ressentiments.

Die Mitglieder des Flüchtlingsrates waren getragen von einem demokratischen und antirassistischen Grundkonsens und dem Willen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten dem Grundrecht auf Schutz vor Verfolgung Geltung zu verschaffen sowie auch Staat und Verwaltung entsprechend in die Pflicht zu nehmen.

In den vergangenen Jahren ist der Flüchtlingsrat durch die Arbeit seiner Mitglieder und in verschiedenen Projekten zu einem wichtigen Akteur der landesweiten Flüchtlingssolidarität geworden. Im Kontext der Zuwanderung 2014/2015 erlebte die Bundesrepublik einen politischen Rechtsruck. Wie schon in den 1990er-Jahren sind die Themen Flucht und Asyl zu einem breit diskutierten gesellschaftlichen Thema geworden, die Politik reagierte mit drastischen Asylrechtsverschärfungen und die Hetze und Gewalt gegen Zufluchtsuchende hat erschreckende Ausmaße angenommen. Gleichzeitig hat das zivilgesellschaftliche Engagement für die Menschenrechte Geflüchteter in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Diese Entwicklungen waren uns Anlass, umso entschiedener die Ziele und Inhalte unserer Arbeit zu formulieren.

Struktur

Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt ist ein landesweiter Zusammenschluss der Flüchtlingssolidarität in Sachsen-Anhalt.

Er ist Fach-, Beratungs- und Dienstleistungsstelle sowie politisches Vertretungsorgan.

Seine Organe und Instrumente sind die Mitgliederversammlung, der Vorstand und die Geschäftsstelle.

Philosophie

Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V. lebt durch das Engagement seiner Mitglieder.

Diese treten ein für eine offene Gesellschaft, die uneingeschränkt die Menschenwürde Aller achtet.

Der Flüchtlingsrat ist parteiisch und fordert, dass alle Menschen uneingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Als politische, antirassistische Organisation und Interessenvertretung kämpfen wir für grenzenlose Solidarität sowie gegen Rassismus und Diskriminierung.

Definition

Flüchtlinge bzw. Geflüchtete im Verständnis des Flüchtlingsrates sind alle Menschen, die selbst oder deren Angehörige ihr Herkunfts- oder ein Drittland wegen bedrohlich prekärer Situationen verlassen mussten oder dorthin ausreisepflichtig sind.

Fluchtgründe oder Rückkehrgefährdungen i.d.S. können v.a. sein:

  • staatliche oder nichtstaatliche politische Verfolgung,

  • Krieg oder andere militärische Gewalt und ihre Folgen,

  • ethnische oder gruppenspezifische Diskriminierung sowie Pogrome,

  • geschlechtsspezifische Gewalt,

  • Versklavung,

  • Gefährdungen von Leib und Leben aufgrund von ökologischen bzw. wirtschaftlichen Globalisierungsfolgen und Umweltkatastrophen,

  • medizinische Unterversorgung.

Wir unterstützen alle Asylsuchenden, unabhängig von ihren jeweiligen subjektiven Fluchtgründen.

Überparteilich aber parteiisch

Wir sind eine von Parteien und Kirchen unabhängige Organisation. Gleichzeitig treten wir parteiisch für die Interessen geflüchteter Menschen ein.

Themen und Instrumente

Unsere Arbeit umfasst die Analyse und kritische Auseinandersetzung mit der Flüchtlingspolitik auf europäischer, Bundes und Landesebene. Dazu gehört u.a. Asylgesetzgebung, Bleiberecht, Bewegungsfreiheit, Unterbringung von geflüchteten Menschen, Zugang zu staatlichen Leistungen. Wir arbeiten und positionieren uns auch zu Themen wie mangelnder gesellschaftlicher Teilhabe, systematische Diskriminierung und Rassismus.

Wir setzen diese Themen in Vermittlung, Unterstützung, direkten Aktionen, thematischen Projekten, Kampagnen, Bildungsarbeit, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit und in Netzwerken bzw. mit unseren Netzwerkpartner*innen um.

Wir vertreten unsere flüchtlingspolitischen Anliegen durch Lobbyarbeit gegenüber Parteien sowie kommunalen, Landes- und Bundesbehörden.

Gesellschaftliche Ziele

Wir setzen uns für die Anerkennung der Rechte von geflüchteten Menschen und die Verbesserung ihrer Lebenssituation ein. Ziel unserer Arbeit ist die konsequente Einhaltung und Umsetzung der Menschenrechte.

Wir setzen uns gegen die Ausgrenzung und Isolation von geflüchteten Menschen und für ihr selbstbestimmtes Leben ein.

Wir kämpfen für ein Bleiberecht für alle Geflüchteten und Migrant*innen. Abschiebungen und andere Formen der erzwungenen und unfreiwilligen Ausreise lehnen wir strikt ab.

Wir treten ein für grenzenlose Solidarität und gegen Rassismus und Diskriminierung sowie für Solidarität mit geflüchteten Menschen.

Mit unserer Arbeit wollen wir zur Sensibilisierung der Bevölkerung für Fluchtursachen, globale Ungerechtigkeiten und die Lebenssituation geflüchteter Menschen beitragen.

Empowerment

Der Flüchtlingsrat fördert durch strukturelle und direkte Hilfen die Befähigung, Ermächtigung und Selbstorganisation von geflüchteten Menschen.

Mandat

Grundlage unserer Arbeit sind die Prinzipien der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit.

Solidarität ist nicht umsonst

Der Flüchtlingsrat ist für seine unabhängige Arbeit auf Förderung durch öffentliche Gelder, Drittmittel und Spenden angewiesen.

Der Flüchtlingsrat unterstützt finanziell das flüchtlingssolidarische Engagement von und für geflüchtete Menschen.

Beschlossen durch die Mitgliederversammlung am 13.12.2017

Für die Unterstützung bei der Erarbeitung unseres Leitbildes möchten wir uns herzlich beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein bedanken.

thumbnail of Selbstverständnis des Flüchtlingsrates Sachsen-Anhalt e.V.



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